Rückschau

Rückschau

Better than your neighbour!

29.03. — 28.05.2014

Better than your neighbour! | Christian Jankowski, Florian Meisenberg, Nicole Morris, Felix Oehmann, Laura Schawelka, Stuart Semple und Matthias Tharang | 29.03. — 28.05.2014
Better than your neighbour! | Christian Jankowski, Florian Meisenberg, Nicole Morris, Felix Oehmann, Laura Schawelka, Stuart Semple und Matthias Tharang | 29.03. — 28.05.2014
Better than your neighbour! | Christian Jankowski, Florian Meisenberg, Nicole Morris, Felix Oehmann, Laura Schawelka, Stuart Semple und Matthias Tharang | 29.03. — 28.05.2014
Better than your neighbour! | Christian Jankowski, Florian Meisenberg, Nicole Morris, Felix Oehmann, Laura Schawelka, Stuart Semple und Matthias Tharang | 29.03. — 28.05.2014
Better than your neighbour! | Christian Jankowski, Florian Meisenberg, Nicole Morris, Felix Oehmann, Laura Schawelka, Stuart Semple und Matthias Tharang | 29.03. — 28.05.2014
Better than your neighbour! | Christian Jankowski, Florian Meisenberg, Nicole Morris, Felix Oehmann, Laura Schawelka, Stuart Semple und Matthias Tharang | 29.03. — 28.05.2014
Better than your neighbour! | Christian Jankowski, Florian Meisenberg, Nicole Morris, Felix Oehmann, Laura Schawelka, Stuart Semple und Matthias Tharang | 29.03. — 28.05.2014
Better than your neighbour! | Christian Jankowski, Florian Meisenberg, Nicole Morris, Felix Oehmann, Laura Schawelka, Stuart Semple und Matthias Tharang | 29.03. — 28.05.2014
Better than your neighbour! | Christian Jankowski, Florian Meisenberg, Nicole Morris, Felix Oehmann, Laura Schawelka, Stuart Semple und Matthias Tharang | 29.03. — 28.05.2014
01 / 09

Artists

Christian Jankowski, Florian Meisenberg, Nicole Morris, Felix Oehmann, Laura Schawelka, Stuart Semple und Matthias Tharang

Special information

Kuratiert von Johanna und Friedrich Gräfling

Description

Wie der Titel “Better than your neighbour” - “Besser als Dein Nachbar” bereits sagt, ist die Ausstellungsidee auf die deutsche Neidgesellschaft zurückzuführen. Vielleicht im Hinterkopf zu behalten wäre noch, dass der Titel ja nicht nur Sie, Mich oder unseren Nachbarn betrifft, sondern auch die Künstler - dadurch, dass jeder seinen eigenen Raum hat, entstehen hier ja auch wieder Nachbarschaften…

Über die Gründung eines Kunstvereins zu Beginn des 21. Jahrhunderts.

Öffentlichkeit existiert nicht von selbst, sie muss geschaffen werden.
Die Laune ist gut, als unsere Gruppe aufbricht, um von Frankfurt Main in das eine Autostunde entfernte Wiesen zu fahren. Man darf „uns“ ruhig Hipsters nennen: young(-ish), urban, im Transit. Der Tagesausflug aufs Land bietet eine willkommene Abwechslung vom hektischen Kunstwelt-Alltag. Anlass des Exkurses ist die Eröffnung der Ausstellung Better than your Neighbour auf Schloss Wiesen.

Die im Titel implizierte Häuslichkeit – Gartenzaun – ist Programm: Cultural Avenue, die Organisatoren und Gründer des Wiesener Kunstraums, begrüßen mit Kaffee und Kuchen, wir mischen uns unter die kleine Gruppe der Anwesenden. Mehr als einmal fällt der Vergleich mit einer Hochzeitsgesellschaft, doch dieser hinkt. Der Anlass auf Schloss Wiesen bewegt sich vielmehr an der Grenze zwischen privat und öffentlich. So befindet sich auch der amtierende Bürgermeister der Gemeinde Wiesen unter den Anwesenden, sowie eine Journalistin und zwei der teilnehmenden Künstler.

Die Ausstellung ist dem Thema Konkurrenz gewidmet. Gezeigt werden Arbeiten von sieben zeitgenössischen Künstlern, einige davon bereits etabliert, andere erst am Anfang ihrer Karriere. Die Positionen werden räumlich getrennt voneinander gezeigt. Die Ausstellung ist also weniger als direkte Gegenüberstellung unterschiedlicher Arbeiten angelegt, sondern vielmehr als Rundgang, der dem Betrachter punktuell gesetzte Sichtweisen auf das Thema bietet.

Gleich rechts vom Eingang erwartet uns die Videoarbeit Boys, DATUM, der Britischen Künstlerin Nicole Morris. Sie zeigt einen Jugendlichen in T-Shirt und Trainingshose, der sich in einem unablässigen Loop an einer Turnstange hochzieht. Seine Gesichtszüge zeugen von Entschlossenheit: Er wird auf dem regnerischen Sportplatz bleiben, bis die dünnen Oberarme männliche Kraft erlangt haben.

Dem Wettlauf um den perfekten Körper folgt ein Stockwerk höher ein Kampf der Geschlechter. In seiner Videoinstallation Strengh through Joy, 2011, stellt Matthias Tharang einem nackten, alten Mann vier, in weiß gekleidete, junge Frauen gegenüber. Der Mann steht alleine in einem dunklen Raum und baut ein Konstrukt aus weißen Kuben, um dieses gleich im Anschluss mit einem mächtigen Hammer wieder zu zerstören. Die vier Frauen spielen lachend in einer Schweizer Berglandschaft mit überdimensionalen, roten Plastikbällen. Strengh through Joy widerspricht der romantischen Vorstellung von Ying und Yang. Frau und Mann ergänzen sich hier nicht, sondern werden als zwei Spezies dargestellt, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Der männliche Urinstinkt wird auch in Christian Jankowskis Videoarbeit Die Jagd, 1992, aufgegriffen. Hier wird der Künstler selbst zum Jäger, der im Supermarkt Letta Margarine, Brot und Jogurt erlegt, um sein Überleben in der urbanen Großstadt zu sichern.

Während Jankowski sich mit dem Erwerb von Produkten befasst, geht es Laura Schawelka allein um deren Vermarktung. Ihre digitalen Collagen wie Komposition (Boden, Braut, Hebel), 2013, bedienen sich der plakativen Ästhetik aus der Mode- und Werbebranche. Was genau verkauft wird, ist hier Nebensache; wichtig ist, dass die Verpackung stimmt.

Da die ersten vier Positionen der Ausstellung sich im Bereich Neue Medien bewegen, rühren Florian Meisenbergs handbemalte Banner im Flur der ersten Etage schon fast nostalgisch an. Meisenberg verhandelt darauf kunstimmanente Hierarchien, wie die Wahl des richtigen Motivs, oder Rangordnungen innerhalb von Bildkompositionen.

Im Untergeschoß erwartet uns Felix Oehmanns Skulptur Henry’s Fault, 2010. Die schiere Größe der Arbeit macht das von der Ausstellung thematisierte Kräftemessen zum ersten Mal physisch erlebbar. Die Skulptur besteht aus einem gewaltigen Bogen, auf dessen Enden zwei überdimensionale Stiefel gegeneinander abgewogen werden, einer davon ist kantig, der andere rund. Interessanterweise wird die aufgestellte Konkurrenzsituation durch die den Produktionsprozess freilegende Rückseite der Arbeit wieder aufgehoben: Die vermeintlich bedeutsamen Unterschiede sind rein oberflächlicher Natur, im Endeffekt sind beide Stiefel aus Hühnerdraht und Textilfasern zusammengekleistert.

In Stuart Semples Raum dreht sich alles um das Thema Geld: Motivations- und Korruptionsfaktor Nummer Eins, zumindest in der westlichen Gesellschaft. Die humorvollen, skulpturalen Setzungen des Briten wenden sich mit Titeln wie Don’t stop me now, 2009, oder Don’t stop believing, 2009, direkt an den Betrachter und führen zugleich die Wahlslogans der Finanz- und Kapitalwelt ad absurdum.

Überhaupt ist Humor ein verbindendes Element der Ausstellung Better than your Neighbour. Kritik wir hier mit einem Augenzwinkern vorgetragen, was der komplexen Thematik eine gewisse Leichtigkeit verleiht. Die Ausstellung als Ganzes greift die ironisch reflektierenden Ansätze der einzelnen Positionen auf, indem sie Konkurrenzsituationen des zeitgenössischen Ausstellungsbetriebs exemplarisch vorführt und auf die Spitze treibt. So treten die gezeigten Werke in den alten Gemäuern nicht nur gegeneinander an, sondern müssen sich auch vor der eindrücklichen Schlossarchitektur behaupten. Hinzu kommt das Aufeinanderprallen von Land und Stadt. Im Fall von Better than your Neighbour bringt das mutmaßliche „Umpflanzen“ urbaner Künstler in eine ländliche Umgebung Peripherie und Zentrum nicht etwa näher zusammen, sondern betont vielmehr deren Kontraste.

Vor allem aber verdeutlicht die Ausstellungssituation in Wiesen das ständige Ringen zwischen Künstler, Kurator, und Publikum. Vertreter aller drei Subgruppen beharren leidenschaftlich auf ihre jeweiligen Machtansprüche. Der Künstler als Schöpfer, der Kurator als Vermittler, und spätestens seit dem 18. Jahrhundert die sogenannte „Öffentlichkeit“: Eine Gemeinschaft bürgerlicher Laien, die heute in weiten Kreisen als Haupt-Legitimationsfaktor für Bildende Kunst angesehen wird. Dieser festgefahrenen Rollenverteilung versuchen die Initiatoren von Cultural Avenue entgegenzuwirken. Für das Duo ist Better than your Neighbour mit der Ausstellungseröffnung nicht etwa abgeschlossen, sondern soll sich in einem aktiven Diskurs mit den Besuchern weiterentwickeln. Aus dem Monolog wird ein Dialog.

In einem Interview von 2008 hat der Kurator Norman Rosenthal die zeitgenössische Kunstinstitution als Fiktion beschrieben, welche sich ständig neu erfinden müsse, um zu überleben. Der Ausstellungsraum auf Schloss Wiesen kann als Versuch einer solchen Neuerfindung verstanden werden. Es ist der Versuch, dem rasanten und oftmals sehr unpersönlichen Treiben des Kunstmarkts entgegenzuwirken. Anders als bei herkömmlichen Eröffnungen gleichen die Besucher an jenem Nachmittag weniger einer anonymen Maße, als einer Gruppe Eingeweihter. Keiner der Anwesenden ist zufällig da, dafür ist die Anreise zu weit. Nach einer zweiten Runde Kaffee und Kuchen verlassen wir den kleinen Grenzort zwischen Bayern und Hessen mit dem guten Gefühl, Teil eines bereichernden Kunsterlebnisses gewesen zu sein.

Lea Schleiffenbaum